Franco Albrecht trieb sich kurz vor seiner Verhaftung in Wien herum. Welche Verbindungen er dort hatte und welche Rolle rechte Wiener Bälle dabei spielen haben die Antifa West Wien und die Autonome Antifa [W] für uns aufgeschrieben.
Franco Albrechts Besuch in Wien stellt eine – sagen wir’s mal zynisch – illustre Geschichte dar: Nach dem Besuch des Balls der Offiziere (wo sonst sollte sich ein hochgradig ausgebildeter Militär auch hin verirren, wenn nicht dahin oder auf den Wiener Akademikerball) findet der volltrunkene Franco A. eine Wehrmachtspistole im Gebüsch nahe dem ersten Bezirk. Typische Gegenstände, die da eben so rumliegen nachts in den Hecken. Er beschließt kurzerhand, die Waffe mitzunehmen. Wer ließe sich denn so eine Chance auch entgehen?
Allerdings muss Franco A. einen Flieger erwischen, es geht zurück nach Offenbach. Er versteckt die Unique Modell 17, eine Pistole, die deutsche Wehrmachts-Offiziere im besetzten Frankreich trugen, am Flughafen Wien-Schwechat und fliegt nach Deutschland. Als das ganze Ding aufflog – das BKA hatte die Waffe nach dem zufälligen Fund durch eine Reinigungskraft mit Alarmsensoren verwanzt – hatte Franco A. nichts Besseres auf Lager, als zu sagen: Er hätte ja gerade vorgehabt, die Waffe nun an die Behörden zu übergeben. Dass dies ausgerechnet auch noch am 3. Februar über die Bühne ging – der Tag, an dem der Wiener Akademikerball abends statt finden würde – tut sein übriges zur völligen Absurdität von Franco Albrechts Erklärung. Doch warum war Franco A. in Wien, auf dem Offiziersball und wieder für den Akamdemikerball? Wohl nicht alles Zufall.
Die Wiener Bälle sind alles andere als die reine psychedelische Süße, k.u.k-Historismus und Habsburg-Romantik, welche sie allzu gerne vorgeben zu sein: Der Wiener Akademikerball (von 1952-2012 „Wiener Korporationsball”) fungiert als essentielles Vernetzungstreffen für rechtsextreme Politiker*innen, deutschnationale Burschenschafter und Aktivist*innen des rechtsextremen Spektrums. Veranstaltet wird der Akademikerball seit 2012 von der rechtsextremen Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ), zuvor von 20 deutschnational-schlagenden, farbentragenden Burschenschaften Wiens. Umso obskurer mutete es seit jeher an, dass der Akademikerball im post-nazistischen Österreich in einem der zentralen Repräsentationsgebäude der Zweiten Republik ausgerichtet werden darf, der Wiener Hofburg.
Dabei reis(t)en dutzende Kader aus ganz Europa an: Front National-Abgeordnete wie die Le Pen-Familie, mehrfach Kader der ungarischen Jobbik, Vorsitzende der rechtsextremen belgischen Vlaams Belang, Pegida Dresden- und pro-NRW-Kader, Abordnungen der PnoS (Partei national orientierter Schweizer, deren Wurzeln in B&H Schweiz liegen), diverse hohe Repräsentant*innen der AfD aus unterschiedlichen Bundesländern, IBD (Identitäre Bewegung Deutschland)- und Schnellroda-Größen wie Caroline Sommerfeld-Lethen, Kader der Generation Identitaire und der IBÖ, Enrique Ravello, der rechtsextreme Netzwerker aus Katalanien mit Kontakt zu David Duke, dem ex-Grand Wizard des US-Amerikanischen Ku-Klux-Klans, Mitglieder der „Freiheitlichen Partei Südtirol“ und zumindest ein Mal ein Abgeordneter der rechten estnischen Partei „Estnische Konservative Volkspartei“. Mitten darunter natürlich die (teils ehemaligen) Köpfe der FPÖ, H. C. Strache, Herbert Kickl und Norbert Hofer: Sie hielten zumeist die Eröffnungsansprachen ab 2012 und trugen samt ihrer Partei Rechnung dafür, an welche Personen und Organisationen Einladungen ergehen sollten. Die sowieso aufs Engste mit der FPÖ verbundenen schlagenden Burschenschaften waren – gemäß der Ausrichtungstradition – zahlenmäßig am stärksten vertreten: Mit ihnen ebenso ihre Publikationsorgane und medialen Outlets, wie etwa die „Aula“, „Zur Zeit“ oder der „Eckart“.1
Dass es sich hierbei also nicht um ein harmloses Get-Together für teures Geld, sondern um ein hochgradig politisches Event handelt, innerhalb dessen gut bewachten Räumen führende Persönlichkeiten des europäischen Rechtsextremismus zusammenkommen, sich vernetzen und kooperieren können, ist über die langen Jahre des Bestehens des Balles gut belegt. Ebenso belegt sind die an die Gespräche und Balleröffnungen anschließenden Gelage, die nicht selten offenbarten, mit welcher Intensität die dort Anwesenden ihre Ideologie lebten: So finden sich Hitlergrüße, antisemitische Hetzreden, Drohungen an den Präsidenten der Israelischen Kultus Gemeinde (damals Ariel Muzicant), rassistische Ausfälle und pompöse Bekenntnisse zur deutschen Fahne. Dass Franco A. vorhatte, auch diesen zu besuchen, um auf einen Schlag Konnex zu diversen rechtsextremen Akteur*innen zu bekommen, wirkt wahrscheinlich: Warum sonst soll er ausgerechnet – nicht einmal zwei Wochen später – wieder nach Wien reisen?
Die Abgeschottenheit – der Ball wird strikt überwacht und von Polizeikräften aus ganz Österreich nach Außen abgesichert – und hohe Dichte an Rechtsextremist*innen diente bereits bisher als fruchtbarer Boden für Zusammenkünfte in nobler Atmosphäre und sicherer Umgebung: Der Ball war garantiert attraktiv für Franco A. und die Gruppen des Hannibal-Netzwerkes. Feste zu veranstalten, die nach Außen hin beworben werden können und so auch Deckung wie Legitimation durch große Teile nicht politisch amtsbekannter Gesichter bieten, dürfte einer der Hauptgründe für die Veranstaltung des Akademiker-Balles seit 1952 sein: Und es ist anzunehmen, wenn auch kaum beweisbar, dass dieses Muster (das in Neonazi-Spektren gut bekannt ist, z. B. als Masche à la Sommerfest u. Ä.) ebenso bei anderen einschlägigen Bällen Anwendung findet.
Der „Ball der Offiziere“ (genannt auch „Alt-Neustädter Ball“), den Franco Albrecht am 21. Jänner besucht hatte, dürfte wohl nicht über die gleichen Ausmaße wie die faschistoide Dichte am Akademiker-Ball verfügen, aber dennoch ein ebenso problematisches Klientel aufweisen: das Bundesheer und Heeres-Offiziere aus ganz Europa. Der Ball hat lange Tradition: Gegründet 1751 durch die „Alt Neustadt Vereinigung“2 der Theresanischen Militärakademie in Wiener Neustadt, findet er bis heute jedes Jahr Mitte/Ende Jänner statt. Die Vereinigung entpuppt sich schnell als einer jener Kameradschaftszusammenschlüsse, die durch ihre schwere patriarchale Männerbündelei auffallen: Tradition und Denkmalpflege, Kameradschaftsfetischismus und Korpsgeist prävalieren auf der Website und im Selbstverständnis. Dass das österreichische Bundesheer ebenso wie die deutsche Bundeswehr ein grobes Rechtsextremismusproblem seit seiner Wiedergründung aufweist, verdeutlichen Studien des Dokumentationsarchivs des Österreichischen Widerstands (DÖW):3 enge Kooperation mit dem Österreichischen Kameradschaftsbund (ging aus ex-Waffen-SS-Verbänden hervor) sowie anderen Heimkehrverbänden, bis 2009 alljährliche angeordnete, i. e. standardmäßige Teilnahme am nazistischen Ulrichsberggedenken,4 bis 2011 offizielle Teilnahme am rechtsextremen Feldbach-Gedenken,5 Zusammenarbeit mit dem rechtsextremen wehrpolitischen Verein „Militär Fallschirmspringer Verbund Ostarrichi“ (genannt Milf-O) sowie dem „Kameradschaftsbund Edelweiß“, zahlreiche Publikationen hochrangiger Offiziere in der Aula, in Wiener Neustadt direkte Überschneidungen mit der dortigen IBÖ-Gruppe und in Graz zu Kadern der rechtsextremen Kleinpartei Partei des Volkes (PdV) (in Graz wurde dann 2016 eine Moschee geschändet, PdV-Kader und Heeresabwehramt-Mitarbeiter hatten Schweineblut und einen Schweinekopf an dir ür gehängt, alles bei Mitwissen des Heeresabwehramtes, dem Pendant zum MAD),6 hohe Wahlerfolge (wie bei der Polizei) für die FPÖ.
Dabei soll – laut Andreas Peham vom DÖW – die TherMilAk, also eben jene Akademie, deren Absolvent*innen den Ball ausrichten, besonders schlecht im Bereich Rechtsextremismus-Prävention abgeschnitten haben:7 Mindestens bis 2015 (also bis zur Bundesheer-Reform 2016) habe die Akademie als Kaderschmiede für Rechtsextremismus und Neonazismus gedient, vor allem auf Grund der dort angestellten Ausbildner*innen. Dass der Ball denn ebenso ein tête-à-tête für rechtsgerichtete, chauvinistische, nationalistische und neonazistische Umtriebe aus dem Militärsektor dient, ist so mehr als naheliegend. Ebenso wenig verwunderlich ist, dass langgediente Offiziere des Bundesheeres, die unter Klarnamen in rechtsextremen Blättern wie der “Aula” publizieren, auch über Zugang zu NS-Devotionalien jeder Art, aber auch funktionstüchtigen Waffen, Munition und Know-How verfügen. Betrachten wir dann die Geschichte rund um die Wehrmachtspistole erneut, erscheint sie in einem anderen Licht: Franco A. – das ist hinlänglich bekannt – war neben seiner aktiven Vorbereitung und Planungstätigkeiten für den Tag X ein Bewunderer Adolf Hitlers und des NS. So berichtet er schwelgend von seiner Ausgabe von “Mein Kampf”, die ihm sein Großvater gegeben habe, ritzte Hakenkreuze in die Griffe seiner Bundeswehr-Waffen, bezeichnete Hitler als einen der “größten deutschen Volksführer” und trug ein Hitler-Bild als persönlichen Kult in seiner Brusttasche. Dass Franco A. dahingehend sicherlich viel tun würde, um an ein derartiges Kultobjekt von hohem symbolischen Wert zu gelangen, scheint plausibel: Ebenso, dass es am Ball der Offiziere jene Leute gibt, die sie ihm beschaffen und dort übergeben können.
Dass es nicht bei kultischem Anhängertum zum NS blieb, beweisen die Ermittlungen: Franco A. plante mit seinen Kameraden der Chatgruppe „Süd“ möglicherweise dutzendfach Morde und Anschläge, um den Tag X aktiv herbeizuführen. Gut möglich, dass in den Gruppen unterschiedlichste Anschlagskonzepte diskutiert wurden: Von hochgradig komplexen False-Flag-Aktionen zu gezielten Hinrichtungen und Massen-Beseitigungen ganzer Gruppierungen und Bewegungen, die nicht ins Spektrum der rechtsextremen Prepper*innen passten. Wollte Franco A. die unregistrierte Waffe seiner Wahl, die nicht nur ideologisch unter dem Zeichen des NS stand, nutzen, um mit ihr Anschläge auszuführen? Die Frage wird nur schwerlich beantwortet werden können. Neben dieser gibt es noch zahlreiche weitere: War das Hannibal-Prepper-Netzwerk Thema? Welche Rolle spielte der Reservist Maurice R., der in Wien im Milieu deutschnationaler Burschenschaften umtriebig war, Franco A. und seine Begleiter Maximilian Tischer, dessen schwester Sophia Tischer und einer weitere Person beherbergte und mit Clemens Gudenus,8 dem Bruder des ex-FPÖ-Nationalrat-Klubomanns Johann Gudenus und Sohn des veruteilten Holocaust-Leugners John Gudenus, befreundet war? Sollte Franco A. mit Hilfe von Maximilian T. und in Wien vernetzter Rechtsextremer weitere Verbinungen für das Hannibal-Netzwerk aufbauen? Was wussten die, die die Waffe, übergaben? Waren sie involviert in die Anschlagspläne? Immerhin hatte Franco A. bei der zweiten Wien-Reise kein Rückflugticket gebucht gehabt, da ein befreundeter Offizier – so die Aussage Franco Albrechts – ihn direkt nach Straßburg fahren sollte. Das Reisemuster korreliert eigentümlich mit Zetteln, auf denen Franco A. umfangreiche Routen quer durch Deutschland verzeichnete samt markierten Waffendepots und Transportrouten für selbige.9
Wir wissen nicht, was sich tatsächlich am Abend des 21. Jänner 2017 in Wien abgespielt hat. Es können hier nur begründete Verdachtsmomente und Vermutungen aufgestellt werden basierend auf der Analyse der Funktion, die die Wiener Bälle (allen voran der “Akademikerball”) für die rechtsnationalistische Politik in Europa einnehmen und der politischen Disposition des Bundesheeres. Aus dieser Analyse heraus kann aber getrost festgestellt werden, dass Besuche aus reinem Jux wohl möglich sind, aber nicht wahrscheinlich. Im Gegenteil ist es durchaus plausibel, dass Franco A. und Maximilian T. dort für Prepper-Gruppen rekrutiert haben: Als Mitglied und ranghoher Aktiver der Süd-Gruppe stand Franco A. unter dem Befehl von André S. und verfügte so auch über direkten Draht zum Uniter e. V. Dessen Zielsetzung beinhaltete auch, auf der ganzen Welt gut ausgebildete Infanterieinheiten aufzubauen, die am Tag X für den beschworenen “Rassenkrieg” in Alarmbereitschaft versetzt werden könnten. Dass auch Österreich in den Umbruchsplänen des Hannibal-Netzwerks eine (vermutlich) fundamentale Rolle gespielt hat, zeigt sich an André S.’ Vize-Präsidentschaft im obskuren Verein “Lazarus Union”:10 Der “Ritterorden” mit Sitz auf der Burg Kreuzenstein bei Wien stellt sich selbst als internationale Hilfs-Organisation mit UN-Generalberaterstatus dar, Ablegervereine finden sich in ganz Europa, darüber hinaus in der Türkei, Brasilien und dutzenden weiteren Staaten. André S. wurde von der Union ausgerechnet auf der TherMilAk – unter Beisein kapitalstarker ex-Politiker*innen wie Erwin Pröll – 2018 zum „Ritter“ geschlagen und Vize-Präsidenten erklärt.11 Das wundert, denn abseits dessen poliert die Union mit karitativen Veranstaltugen wie Obdachlosen-Hilfe ihr Image und agiert auf UN-Ebene als Friedens-NGO. Was also ein Militärdienstleister, der u. a. für den philippinischen Diktator Rodrigo Duterte arbeitet, bei einer karitativen Ritter-Organisation mit UN-Generalberaterstatus macht und wieso Uniter Teil der Lazarus-Union war, bleibt im Dunklen. Darüber hinaus bleibt die Frage offen, wie es dazu kam, dass André S. bei einer internationalen Friedens-NGO zum Vize-Präsidenten gekürt werden konnnte – angenommen werden müssen vor diesem Hintergrund längere Verbindungen, die u. U. auch mit André S.‘ Suche nach Geldgeber*innen zu tun hat. Unklar ist, zu welchen Akteur*innen in der Lazarus-Union und in welchem Rahmen er Kontakt pflegte. Ein rechtsextremer KSK-Soldat, der einen wehrpolitischen Verein aus Spezialkräften von Heeresstrukturen aufbaut, scheint jedenfalls nicht der naheliegendste Kandidat für den Posten zu sein.
Dass der Ball der Offiziere wie auch der Akademikerball allerdings valide Möglichkeiten für den Aufbau schlagkräftiger Tag X-Einheiten boten, die Franco A. und seine Kompagnons wahrnehmen sollten, scheint unter Einbindung von André S. österreichischer Militär-Connection mehr als plausibel.
Umso wichtiger ist es, auch hier Aufmerksamkeit zu schüren und Wien wie Österreich in ihrer oft wichtigen Rolle für internationale Vernetzung, aber auch das Abtauchen von gesuchten Rechtsextremist*innen zu beleuchten. Denn in Österreich gab es keinerlei weitere Ermittlungen zu Franco A. Weder direkt nach seiner Festnahme am 3. Februar, noch später, nachdem seine Daten aufgenommen, ein USB-Stick und das folgenreiche Mobiltelefon konfisziert und an deutsche Behörden übergeben worden waren. Es interessierte das BKA vorerst nicht, wie Franco A. an diese Waffe gelangt war, und dass es sich offensichtlich um eine (immerhin auch noch funktionsfähige und voll geladene) NS-Devotionalie handelte. Franco A. wurde nicht weiter zu seinen Aktivitäten in Wien befragt, geschweige denn weitere Ermittlungen zu Maurice R. oder der Rolle des Balles geführt. Wird die Schwere des Vergehens bedacht, so ist es hochgradig bedenklich, dass es zu keiner Initiierung von Ermittlungen kam. Es scheint wieder einer jener Sachverhalte zu sein, wo sich die österreichischen Beamt*innen am rechten Auge als nicht sehfähig erwiesen haben und immer wieder erweisen. Dass daraus letzten Endes dennoch die Enttarnung eines der größten rechtsextremen Militär-Netzwerke der rezenteren Geschichte Mitteleuropas erfolgte, war lediglich Zufall, da Franco A. seine Fingerabdrücke doppelt registriert hatte: Einmal als Asylantragsteller, einmal als KSK-Soldat in Calw.
Dass konkrete Verbindungen in den österreichischen Militärsektor im Rahmen des Hannibal-Netzwerkes allerdings wahrscheinlich schon damals vorgelegen haben, beweisen Chat-Gruppen, die bis zum Lösch-Auftrag von André S. auch in Österreich existiert haben: „Uniter Grand District Austria“ hieß das Aktionsgebiet in Österreich, mindestens ein Treffen wurde vom „Security Round Table“ unter Schirmherrschaft von Uniter in Bregenz 2019 durchgeführt.12 Die das Event betreuende Facebook-Gruppe umfasste rund 40 Personen, arbeitete bis zum Treffen klandestin (wo es sicherlich mehrere Treffen gegeben haben muss), der österreichische Admin wies ein einschlägig nazistisches Profil auf, Mitglieder waren u. a. amtsbekannte, verurteilte Neonazis, die schon vorher als Securities gearbeitet hatten13
Später wurde dann von Mitarbeiter*innen des Abwehramtes ein Beobachtungskonvolut an die Presse durchgestochen,14 weil das Abwehramt – laut Aussage der Whistleblower*innen – selbst nichts gegen Rechtsextremismus im Heer unternehme: Dort wiesen sie auf rechtsextreme Organisierungen in der Steiermark hin, explizit wurde in diesem Kontex auch der Zusammenhang zu Milf-O und Uniter hergestellt. Milf-O hatte zu diesem Zeitpunkt bereits Kontakt zu zentralen Nordkreuz-Gruppenmitgliedern: So ergaben Recherchen, dass der Gründer der Nord-Gruppe Marko G. und der Bundeswehr-Reservist Horst S. unter dem Pseudonym „Gunther“ 2015 nach Pöchlarn (Niederösterreich) gereist waren, um am „Nibelungenmarsch“ und regulären Schießtrainings von Milf-O teilzunehmen. Milf-O ist für mehrere Dinge einschlägig bekannt: Zum einen für die berüchtigten „Kreta-Feiern“,15 bei denen sie die 1941 begangenen Massaker der Wehrmacht an der griechischen Bevölkerung feierten, wo das gesamte Neonazi-Spektrum regelmäßig aufschlug und mit Militärs gemeinsam den NS glorifizierte. Zum anderen für das rechtsextreme Feldbach-Gedenken,16 das der Rückeroberung der Stadt Feldbach durch die Waffen-SS kurz vor der endgültigen Zerschlagung der Wehrmacht und des NS gedenkt, wo sich auch das Bundesheer offiziell beteiligte. Darüber hinaus geriet Milf-O durch den Vorfall in die Schlagzeilen und ins Visier des Abwehramtes, als Milf-O 2018 just unter FPÖ-Verteidigungsminister Kunasek zum „wehrpolitisch relevanten Verein“ eingestuft worden war, wodurch sie Zugang zu militärischer Logistik erhielten. In diesem Rahmen erarbeiteten sie u. a. auch Grenzschutzkonzepte für Österreich und konnten regulär mit Zugriff auf Heeresmaterialien agieren. Mitarbeiter*innen des Abwehramtes hatten zuvor unter Hinweis auf deren rechtsextreme Gesinnung und die Verbindungen zu Uniter vor der Einstufung gewarnt und nachdrücklich abgeraten.
Stimmig ist in diesem Rahmen dann auch, dass nach weiteren Ermittlungen der deutschen Behörden auch das österreichische BKA auf Anfrage aktiv wurde. Von den konzertiert durchgeführten Hausdurchsuchungen, die nach Ermittlungen zu Franco Albrechts Netzwerken in Deutschland, Österreich und der Schweiz stattfanden, war u. a. Maurice R. betroffen. Dass allerdings darüber hinaus wahrscheinlich keine tatsächliche Ermitlung angehängt worden war, verdeutlicht eine Vergegenwärtigung des zeitlichen Ablaufs: Franco A. fliegt Februar 2017 auf, infolge der Hannibal-Komplex samt Uniter e. V. spätestens im Jahr 2018, das Abwehramt warnt 2019, im selben Jahr gründen sich neue Uniter-Gruppen aus rechstextremen Kreisen in Westösterreich und Bayern. 2021 ist noch immer nichts bekannt zu den Netzwerken von Franco A., André S., Uniter, der Lazarus Union und Milf-O. Das Bundesheer hatte nach Publik-Werden des Konvoluts lapidar festgestellt: Sie wüssten von keinen rechtsextremen Netzwerken im Heer und deshalb gäbe es auch kein. Na dann.17
Franco Albrechts Besuch in Wien stellt so eine obskure, aber fatale Periode in der Geschichte des Hannibal-Netzwerks dar, die relativ dunkel bleibt und bleiben wird aufgrund fehlender und nun nicht mehr nachvollziehbarer Sachverhalte. Dass Wien allerdings wieder einmal eine größere Rolle in einem rechtsextremen Netzwerk spielt, verwundert nicht und zeigt einmal mehr, wie gewichtig die Funktion der rechten Wiener Bälle, des österreichischen Militärs und seiner Abwehrdienste im internationalen Rechtsrextremismus ist.
antifa wien west, autonome antifa [w]
1 Vgl. hierzu die Berichterstattung des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes (DÖW), etwa https://www.doew.at/erkennen/rechtsextremismus/neues-von-ganz-rechts/archiv/februar-2017/akademikerball-2017-gaeste-aus-der-zweiten-reihe#akademikerball
2 Vgl. hierzu die Wesite: http://www.alt-neustadt.at/
3 Vgl. hierzu u. a. Brigitte Bailer u. a.: Revisionistische Tendenzen im österreichischen Bundesheer? Stellungsnahme zu Aussagen von Dr. Heinz Magenheimer, hg. v. DÖW, Wien 1996.
4 Vgl. hierzu d. Recherchen der AK Gegen den Kärntner Konsens: http://www.u-berg.at/texte/index_bundesheer.htm
5 https://akhinterland.files.wordpress.com/2013/07/treue_um_treue.pdf
6 https://www.derstandard.at/story/2000048909779/anschlag-auf-moschee-disziplinarverfahren-im-abwehramt
7 https://www.zeit.de/politik/2017-05/oesterreich-rechtsextremismus-heer-parallelen-deutschland-andreas-peham-interview
8 https://www.derstandard.at/story/2000099600939/spuren-nach-oesterreich-bei-rechtem-netzwerk-deutscher-soldaten
9 https://www.hessenschau.de/gesellschaft/prozess-gegen-bundeswehroffizier-der-unheimliche—was-plante-franco-a,was-wollte-francoa-100.html
10 Vgl. d. Website: http://www.lazarus-union.org/?lang=de
11 Vgl. hierzu d. von Lazarus selbst stammende Video: https://www.youtube.com/watch?v=6yosCUlPgD8 [letzter Zugriff 21.5.2021, 13.07] sowie https://www.derstandard.at/story/2000099600939/spuren-nach-oesterreich-bei-rechtem-netzwerk-deutscher-soldaten
12 https://allgaeu-rechtsaussen.de/2019/01/17/faustrecht-im-sicherheitsgewerbe/
13https://www.stopptdierechten.at/2011/06/28/neonazi-prozesse-eine-verurteilung-eine-vertagung/
14 https://www.derstandard.at/story/2000111405941/abwehramt-whistleblower-warnen-vor-bewaffnetem-netzwerk
15 https://akhinterland.files.wordpress.com/2013/07/treue_um_treue.pdf und https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2012-08/militaer-fallschirmspringer-verbund-oesterreich/seite-2
16 https://akhinterland.files.wordpress.com/2013/07/treue_um_treue.pdf
17 Twitterpost des offiziellen Sprechers des Bundesheers, Michael Bauer (@bundesheerbauer), vom 23.11.2019 um 13:04.
5https://akhinterland.files.wordpress.com/2013/07/treue_um_treue.pdf
6https://www.derstandard.at/story/2000048909779/anschlag-auf-moschee-disziplinarverfahren-im-abwehramt
7https://www.zeit.de/politik/2017-05/oesterreich-rechtsextremismus-heer-parallelen-deutschland-andreas-peham-interview
8https://www.derstandard.at/story/2000099600939/spuren-nach-oesterreich-bei-rechtem-netzwerk-deutscher-soldaten
9https://www.hessenschau.de/gesellschaft/prozess-gegen-bundeswehroffizier-der-unheimliche—was-plante-franco-a,was-wollte-francoa-100.html
10Vgl. d. Website: http://www.lazarus-union.org/?lang=de
11Vgl. hierzu d. von Lazarus selbst stammende Video: https://www.youtube.com/watch?v=6yosCUlPgD8 [letzter Zugriff 21.5.2021, 13.07] sowie https://www.derstandard.at/story/2000099600939/spuren-nach-oesterreich-bei-rechtem-netzwerk-deutscher-soldaten
12https://allgaeu-rechtsaussen.de/2019/01/17/faustrecht-im-sicherheitsgewerbe/
13https://www.stopptdierechten.at/2011/06/28/neonazi-prozesse-eine-verurteilung-eine-vertagung/
14https://www.derstandard.at/story/2000111405941/abwehramt-whistleblower-warnen-vor-bewaffnetem-netzwerk
15https://akhinterland.files.wordpress.com/2013/07/treue_um_treue.pdf und https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2012-08/militaer-fallschirmspringer-verbund-oesterreich/seite-2
16https://akhinterland.files.wordpress.com/2013/07/treue_um_treue.pdf
17Twitterpost des offiziellen Sprechers des Bundesheers, Michael Bauer (@bundesheerbauer), vom 23.11.2019 um 13:04.