no more homestories-eine Polemik über journalistische Hausbesuche


“Mit rechten Reden” – das ist nicht nur der Titel eines furchtbaren Buches, sondern auch die Berufsbeschreibung vieler gutbezahlter Journalist:innen. Auch dem Rechtsterroristen Franco Albrecht wurde schon das ein oder andere Mal ein Besuch abgestattet. Das mag daran liegen, dass sich der Kaffeeplausch mit einem Nazi besser verkauft und mehr Klicks generiert, als eine aufwendige Recherche über rechte (Terror)-Netzwerke bei der Bundeswehr und Polizei – womöglich aber auch an der Faszination der vermeintlichen Nahbarkeit, Gesprächsbereitschaft und Bodenständigkeit des Nazigegenübers.


“Wird das was für schöner Wohnen?” fragt Sophia Tischer, Freundin des Rechtsterroristen Franco Albrecht, in dem ersten Teil der Homestory Triologie in der Neuen Züricher Zeitung (NZZ) aus dem Jahr 2019. Damit fasst sie das ganze Elend des Artikels unfreiwillig zusammen. Der Schweizer Journalist Benedikt Neff, der bisher vor allem damit aufgefallen ist, Deutschland einen Schlussstrich nahezulegen und die deutsche Polizei dafür zu kritisieren, zu soft mit Geflüchteten umzugehen, hat sich die Zeit genommen, den Rechtsterroristen Franco Albrecht zu besuchen. Was sich in dem Artikel wiederfindet, ist keine Auseinandersetzung mit der Gefahr die von dem ehemaligen Nazi-Bundeswehrsoldaten ausgeht. Vielmehr führt er mit dem Faschisten smalltalk in seiner Wohnung im Herzen Offenbachs.


Rechtsterrorismus in deutschen sogenannten Sicherheitsorganen wird nicht dadurch aufgedeckt, dass Informationen zu “weißen, flauschigen Fellen auf den Bänken um den Esstisch“ gepaart mit einer „hellen und freundlichen Einrichtung“, gestreut werden. Die Art und Weise wie ein Nazi Kaffee kocht und was für eine Pfanne er benutzt, sagen nichts über seine menschenverachtende Einstellung aus. Es scheint fast so, als ob die Inneneinrichtung so blendend erscheinen soll, dass die Polizei noch häufiger die eine oder andere Hausdurchsuchung vergisst. In dem Artikel wird vermieden der Tatsache, wer hier porträtiert wird in‘s Auge zu blicken – ein Nazi, welcher Waffen und Munition hortete und Terrorpläne gegen politische Gegner:innen schmiedete. Zwar spricht Albrecht in dem NZZ Artikel nicht selbst – Grund hierfür ist allerdings, dass sein Anwalt ihm aus Selbstschutzgründen davon abgeraten hatte. Stattdessen dürfen Mutter, Freundin und eine alte Schulfreundin als Kronzeuginnen für seinen Charakter auftreten. Es wird beschwichtigt, entschuldigt und glorifiziert. Am Ende, so liest es sich, solle man noch Mitleid haben mit dem netten Faschisten von nebenan.

Die Journalistin Christina Schmidt, jahrelang zuständig für das Rechercheteam um den Hanibal Komplex bei der TAZ, nutze das vermeintliche Karrieresprungbrett zur ZEIT um ihrer Naziexpertise freien Lauf zu lassen und zur Abwechslung distanzlos rechte Netzwerke aufzuspüren. Auf Ansprache von Franco A. veröffentlicht die Expertin mit Rückgrat ebenfalls einen homestoryesken Text in der ZEIT. So schnell kann man sich von journalistischen Standards, welche jahrelang keine homestorys vorsahen, verabschieden.


Auch die New York Times war sich nicht zu schade, dem Rechtsterroristen in Offenbach einen Besuch abzustatten. Der Journalist lässt sich von Franco Albrecht in seine Lieblingsapfelweinkneipe um die Ecke führen und ihn seine vermeintlich harmlose Version der Geschichte erzählen. Immerhin geht die NYT dem Next Door Nazi nicht komplett auf den Leim und ordnet Francos Aussagen kritisch ein. Zudem sprach die Zeitung auch mit Anetta Kahane, welcher Albrecht nachstellte die ein potentielles Opfer für Francos Terrorpläne darstellte. Kahane ist seit Jahrzehnten aktiv im Kampf gegen Antisemitismus und rechte Ideologien. Zurück bleibt allerdings trotzdem das Bild vom Äpplerplausch mit einem Nazi, das für einen informativen Artikel keinerlei Mehrwert bietet. Dass man als Belohnung dafür, rechte Terroranschläge geplant zu haben, selbst in pandemischen Lock-Down-Zeiten auf ein Getränk in der extra dafür geöffneten Apfelweinstube eingeladen wird, ist mehr als fragwürdig und sorgt keineswegs für Aufklärung über rechte Netzwerke, Strukturen und deren Ideologie und Akteur:innen.
Wie sehr die Journalist:innen dem Rechtsterroristen und seiner Medienstrategie dabei auf den Leim gehen, wird besonders in dem Artikel der Journalistin Christina Schmidt deutlich. Schmidt, jahrelang zuständig für die TAZ, nutze das vermeintliche Karrieresprungbrett zur “ZEIT” um ihrer Naziexpertise freien Lauf zu lassen und zur Abwechslung distanzlos Rechte Netzwerke aufspüren zu können. Sie berichtet, wie Franco A. im September 2019 unangekündigt vor einem Berliner Café auftaucht, um mit ihr zu sprechen. Statt ihm das Gespräch zu verweigern, beginnt sie ihn regelmäßig zu treffen und sich seine Sicht der Dinge anzuhören. Während diese Schweinerei bei einer ehemaligen TAZ Journalistin zumindest noch verwundert, kommt bei dem vermeintlichen Exklusiv-Interview, das Albrecht bei dem russischen Staatssender Russia Today (RT) führt, zusammen was zusammen gehört. RT Deutsch, dass neben seiner Zugehörigkeit zum autoritären russischen Regime schon häufiger mit der Kooperation mit Verschwörungsideolog:innen und Antisemit:innen auffiel, stellt keine kritische Nachfragen und lässt den Faschisten munter reden. Überraschung. Welche Auswirkungen seine Schilderungen in dem Video auf den Prozessverlauf und seine dortigen Aussagen haben werden, bleibt abzuwarten. Eventuell hat Albrecht sich mit der voreiligen Entscheidung sein Image bei RT aufzupolieren ins Bein geschossen. An dieser Stelle sei an die Kontroverse um die Veröffentlichung der Vernehmungsvideos von Stephan Ernst durch das FUNK-Format strg_f erinnert.


Bei der Menge an Homestories über den faschistischen Ziegenhirten Götz Kubitschek, identitäre Aktivist:innen und AfD Politiker:innen wird eines deutlich: Für die extrem rechte D-Prominenz lohnt sich diese Art von Journalismus. Ihr positives Selbstbild, ihre Bildsprache und Ästhetik werden reproduziert und die Selbstinszenierung als vermeintlich harmloses Opfer bleibt allzu häufig unkommentiert. Auch ihre menschenverachtenden Einstellungen werden durch solche Formate ignoriert und nicht als das benannt, was sie sind: gefährlich. Denn genau diese Gefahr soll durch solche Porträts mitten im Leben heruntergespielt werden, ist ja eigentlich ein netter Junge von nebenan. Nicht nur Rechte sondern auch Journalist:innen profitieren; hohe Verkaufszahlen und viele Klicks ohne aufwendige Recherchen über rechten Terror und dessen Netzwerke und Akteur:innen.
Vor allem bleiben dabei Aufklärung und Bekämpfung faschistischer Umtriebe in Deutschland und darüber hinaus auf der Strecke.

Wir als Kampagne Kein Einzelfall wollen genau diese Berichterstattung in verschiedenen Medien aufzubrechen, weil wir ihm die Rolle eines harmlosen Bundeswehrsoldaten nicht abnehmen. Wir wollen mit unserer Gegenöffentlichkeit darauf aufmerksam machen, dass ein Nazi nicht entzaubert wird, wenn man ihn zuhause besucht oder mit ihm einen Äppler in der Apfelweinkneipe trinkt. Wir sprechen uns ganz klar für handfeste Argumente gegen Nazis aus. Ein Einlassen auf ihre Narrative, Geschichtsverdrehungen und Platzierung von menschenverachtenden Inhalten gehört unterbunden. Informationen und Einschätzungen über Nazis und deren Netzwerke sind bei lokalen antifaschistischen Strukturen und Rechercheblättern wie der Lotta oder dem AIB zu finden! Bleibt informiert und kritisch.