Anetta Kahane über die Bedrohung durch Franco Albrecht und die Bedeutung dahinter

Ich stand nicht nur als Leiterin der Amadeu Antonio Stiftung im Fokus, sondern auch als Person, als Jüdin. Das ist etwas, dass mich umtreibt. Es ist einfach so, dass eine prominente Person wie ich, die eine Stiftung leitet und auch noch Jüdin ist, so sehr im Fokus der Aufmerksamkeit steht, dass auch mutmaßlich ein Attentat, ein Mord geplant war. Das sagt natürlich etwas über die Gesinnung aus, die immer wieder auch abgestritten wird, dass sie auch antisemitisch ist.

Die Ideologie ist: Die Juden sind daran schuld, dass eine Umvolkung stattfindet, dass die ganzen Flüchtlinge reinkommen, dass man
die Deutschen austauschen will. Und das ist auch genau die Art von Hassnachrichten, die ich bekommen habe in der Zeit und das geht bis heute weiter. Das sind genau diese antisemitischen Topoi. Wenn Sie mich fragen, ob das mit mir etwas macht, ob ich mich beängstigt fühle, kann ich immer nur sagen, dass ist von der Tagesform abhängig. Selbstverständlich geht mir das auch unter die Haut, vor allem wenn es sehr massiv aufkommt. Andererseits finde ich Franco A. auch eine ziemlich seltsame Figur. Ich bin froh, dass er nicht so stringent gehandelt hat, wie er hätte handeln können. Ich bin sehr rational, was die Einordnung dieser Sachen betrifft, aber ich bin natürlich auch emotional mitunter davon sehr betroffen. Vor allem dann, wenn ich merke, dass die Gesellschaft und die Öffentlichkeit noch nicht so richtig verstanden haben, was das eigentlich bedeutet. Ich stehe für sehr viele Menschen und auch viele jüdische Menschen. Das ist schwer zu ertragen, dass es relativ wenig verstanden wird, was für eine antisemitische Kampagne hier läuft. Das hat mir der Fall Franco A. auch noch mal deutlich gemacht. Ich glaube nicht, dass dieser Fall von der Gesellschaft ernst genug genommen wird.

Ich sehe schon, dass es einen Fortschritt gibt, ich sehe das nun zum ersten Mal in der Geschichte der Bundeswehr und der bewaffneten Organe, also auch der Polizei usw., überhaupt thematisiert wird, dass es dort Rechtsextremismus gibt. Das ist ja nicht neu, dass es den gibt, das ist ja nicht erst seit 5 oder 10 Jahren so, das gab es immer und insofern ist es gut, dass es jetzt endlich auch zur Sprache kommt. Dass es wirklich stringent behandelt wird, dass man da konsequent handelt innerhalb der Bundeswehr, kann ich jetzt noch nicht erkennen. Das ist offenbar eine sehr langwierige Aufgabe. Wir haben das ja erlebt die ganzen Jahre, es gab ja immer wieder Hinweise darauf und da wurde immer sehr viel abgewehrt und gesagt „jaja, das kriegen wir schon in
den Griff, ist gar nicht so schlimm, die allerallermeisten unserer Soldatinnen und Soldaten sind so nicht.“ Das waren die typischen Abwehrmechanismen. Jetzt ist der Druck so groß, dass mantatsächlich in dem ein oder anderem Fall zum Handeln kommt. Aber wie wir sehen beim KSK und bei anderen Strukturen ist das noch nicht ausreichend beleuchtet und schon gar nicht ausgemerzt worden. Man muss solche Leute einfach rausschmeißen. Man kann nicht sagen, die haben gesagt sie seien Demokraten, also glauben wir es ihnen mal. Das muss eine ganz andere Konsequenz haben.

Ich hoffe sehr, dass der Prozess auch von diesen Netzwerken etwas deutlich werden lässt. Diese ganzen Netzwerke die verbunden sind mit der Bundeswehr und den Polizeien. Das haben wir auch in
Mecklenburg-Vorpommern, das muss unbedingt ausgeleuchtet werden, sonst kann man das nicht ernst nehmen. Insofern: Nein, ich habe nicht das Gefühl, dass die Thematik, die Gefahr von rechts, ausreichend ernst genommen und behandelt wird.

Anetta Kahane, 1954 in Ost-Berlin geboren, ist eine Journalistin und Aktivistin gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus. Derzeit leitet sie die Amadeu-Antonio-Stiftung in Berlin. Sie stand als politische Gegnerin auf der Todesliste von Franco Albrecht. Er spionierte in Berlin ihre Tiefgarage aus.

Wir solidarisieren uns mit Frau Kahane und möchten die Notwendigkeit betonen Betroffenen und Bedrohten rechten Terrors das Wort zu übergeben!