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Bericht zur Mahnwache zum Gedenken an Giórgos Zantiótis am 12.11.

Am 12.11. haben wir mit etwa 200 Leuten auf der Konstablerwache Giórgos Zantiótis gedacht und die Aufklärung seines Todes gefordert!

Giórgos Zantiótis starb am 01.11. nach einer brutalen Festnahme in Gewahrsam der Wuppertaler Polizei. Die Polizei hat seinen Tod erst sechs Tage danach und nur unter Druck veröffentlicht, und sofort versucht, sich selbst aus der Verantwortung zu ziehen. Doch die Geschichte der Polizei ist widersprüchlich und dient einzig dem Zwecke sich von jeglicher Verantwortung freizusprechen. Es werden rassistische Narrative bedient und dem Toten wird letztlich die Schuld an seinem Tod selbst zugeschoben.
Um der Vertuschung des Vorfalls durch Polizei und Behörden entgegenzuwirken, Giórgos Zantiótis zu Gedenken und auch, um unsere Wut über den Polizeiapparat auszdrücken – bei dem wir keinerlei Hoffnung auf Aufklärung geschweige denn Gerechtigkeit für Giórgos Angehörigen hegen – haben wir uns auf der Konstablerwache versammelt und Blumen und Kerzen niedergelegt.

Außerdem haben verschiedene Gruppen Redebeiträge gehalten, die den Tod im Gewahrsam mit dem grassierenden Rassismus der Gesellschaft und der alltäglichen (rassistischen) Polizeigewalt kontextualisiert haben. Von der Entmenschlichung von geflüchteten Menschen an den EU-Außengrenzen, über Racial Profiling hin zu rechtem Terror wie in Hanau. Insbesondere die Polizei stellt dabei eine Gefahr dar, für Schwarze Menschen, People of Color, aber auch Menschen in psychischen Ausnahmesituationen und andere Marginalisierte. Polizeiarbeit in diesem Land bedeutet immer auch Unterdrückung und Gewaltausübung. Stets trifft diese Gewalt bestimmte Menschen besonders, wie die hohe Zahl von “unaufgeklärten” Todesfällen im Gewahrsam zeigt – erst vor kurzem ist ein neues Gutachten herausgekommen, dass zum wiederholten Mal zeigt, dass Oury Jalloh ziemlich eindeutig ermordet wurde.
Einige Redebeiträge haben dies in den Zusammenhang gesetzt mit den immer wieder auftauchenden rechten Netzwerken in der Polizei, Justiz und Bundeswehr und ihren Verknüpfungen zu rechtsradikalen Strukturen.

Zum Abschluss der Mahnwache wurde ein Gedicht der afrodeutschen Dichterin May Ayim vorgelesen, dessen Worten wir uns nur anschließen können: Deutschland im Herbst, uns graut vor dem Winter. Das ganze Gedicht könnt ihr auf der Seite von Dresden Postkolonial lesen: https://dresden-postkolonial.de/deutschland-im-herbst/


Unser Redebeitrag hat sich mit den sogenannten deutschen Sicherheitsbehörden beschäftigt und all ihren vermeintlichen Einzelfällen beschäftigt. Wir teilen ihn hier noch einmal:

Wir befinden uns in einer gesellschaftlichen Situation, in der die Polizei und die sogenannten deutschen Sicherheitsbehörden einer der größten Gefahren im Leben von vielen Menschen in unserer Gesellschaft darstellen. Ummittelbar und immer präsent ist diese Gefahr für People of Colour, Geflüchtete, Obdachlose und weitere maginalisierte Menschen, die in der Bundesrepublick Deutschland immer die Angst haben müssen, bei der nächsten Polizeikontrolle oder auf dem nächstgelegenden deutschen Polizeirevier Gewalt zu erfahren oder letztlich sogar ermordet zu werden. Genau dies ist vergangene Woche in Wuppertal erneut passiert.

Wir stehen hier heute traurig und wütend um Giórgos Zantiótis zu Gedenken.

Wir prangern heute aber auch an, dass genau wie nach Mord an Oury Jalloh im Januar 2007 auf einer Dessauer Polizeiwache, auch in Wuppertal die Täter_innen der Wuppertaler Polizei von deutschen Behörden und der deutschen Justiz keinerlei Konsequenzen zu fürchten haben. Es ist uns bereits heute bewusst, dass wir von der zuständigen Staatsanwaltschaft und der eingeleiteten polizeilichen Untersuchung, bei der die Cops gegen ihre eigenen Polizeikamerad_innen ermitteln, keine Aufklärung erwarten können. Bereits kurz nachdem der Tod Zantiótis in Gewahrsam bekannt wurde – wie bei so vielen vorherigen Todesfällen auf deutschen Revieren – von Behördenseite direkt die Behauptung verbreitet, dass die Todesursache der Drogenkonsum des Opfers sei. Durch die Verbreitung solcher Behauptungen ohne Grundlage forensischer Gutachten sprechen die Beamt_innen sich so schnell wie möglich von ihrer eigenen Schuld frei. Es handelt sich um eine wiederkehrende mediale Strategie der Behörden, die den durch deutsche Polizeibeamt_innen verschuldetene Tod von Giórgos Zantiótis zu einem tragischen Unfall deklarieren, der letzlich aber doch vom Opfer selbstverschuldet gewesen sei. Gleichzeitig festigen sie so das gesamtgesellschaftlich ohnehin weit verbreite rassistische Grundrauschen: POCs und Schwarze Menschen die, egal warum konkret, in Kontakt mit den Cops kommen sind natürlich kriminell und drogenabhänig. Was es im Narrativ der sogenannten Sicherheitsbehörden nicht gibt, ist was es für Familie Mustermann und Horst Seehofer nicht geben darf: Rassistisch motiviert handelnde Polizist_innen, die Menschen in Gewahrsam ermorden oder deren Tod mindestens mutwillig in Kauf nehmen und die der Corpsgeist ihrer Kolleg_innen vor Konsequenzen schützt.

Giórgos Zantiótis ist neben Kamal Ibrahim in Harsefeld, Omar K. in Hamburg, Qosay Sadam Khalaf in Delmenhorst, Sivan in Weil im Schönbuch und Abdul I. in Groß-Gerau dieses Jahr bereits das sechste Todesopfer in Obhut eines mörderischen deutschen Polizeiapperats. Die parlamentarische Politik und deutsche Justiz lassen ihm freie Hand und so können seine Beamt_innen sich fortschreitend faschisieren!

Die vergangenen drei Jahre sind geprägt von rein zufälliger Aufspürung und Kenntniserlangung über (hessische) extrem rechte Bullenchatgruppen, dem Bekanntwerden diverse personelle Überschneidungen von Polizist_innen mit organisierten Rechtsradikalen und dem Verschwinden von Waffen aus deutschen Aservatenkammern, die für einen sogenannten Tag X gesammelt werden.
Wir stehen hier heute in Solidarität mit den Angehörigen und unseren Genoss_innen in Wuppertal. Aber wir wollen auch betonen, dass wir uns in Frankfurt nicht irgendwo, sondern an dem Ort befinden, an dem derzeit der beurlaubte Bundeswehr Soldat Franco A. aus Offenbach vor Gericht wegen Vorbereitung eines terroristischen Anschlags steht. Trotz dessen ist er auf freiem Fuß und kann sogar problemlos an der Goethe Uni Jura studieren.
Die auch in diesem Fall von Polizei, Justiz, Politiker*innen und Medien stets neu aufgerollte Einzelfall-These sorgt immer wieder dafür, dass rechtes Gedankengut und rechter Terror entpolitisiert werden und das Ausmaß der Gefahr verkannt oder bewusst verschwiegen wird. Dabei ist uns längst klar: Es sind keine sogenannten Einzelfälle!
Was wir vorfinden ist nicht nur ein Ausschlagen von flächendeckenden Ermittlungen in allen deutschen Sicherheitsbehörden. Rassismus, Antisemitismus und jegliches neonazistisches Gedankengut werden verschwiegen und oder verharmlost. Diese sogenannten Sicherheitsbehörden sind für uns das Gegenteil – Unsicherheitsbehörden.

Wir aber werden dies nicht weiter einfach hinnehmen! Als Kampagne “Ein Einzelfall kommt selten allein” wollen wir der alltäglichen Normalisierung des zutiefst menschenfeindlichen Polizeiapperats, jeden Mordes und all densogenannten rechten “Einzelfällen” entgegenwirken und den Täter_innen und ihren Freund_innen keine Ruhe lassen! Bei jedem weiteren Mord durch die Polizei, bei jedem “ungeklärten” Todesfall in den Zellen der Reviere, jedem NSU 2.0 Drohbrief, jedem einzelnen Nazi-Chat, also bei jedem verdammten rechten “Einzelfall” in den sogenannten deutschen Sicherheitsbehörden werden wir keine Ruhe geben, und wollen mit euch auf die Straße gehen!

Wir sagen: Kein Vergeben, kein Vergessen!
No Justice, No Peace!