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Redebeitrag auf Demo nach Bekanntwerden des Frankfurter Nazi-SEK Skandals (11.06.2021)

Vor genau zwei Tagen wurden in Hessen die Wohnungen von sechs SEK Beamten durchsucht. Ins Visier gerieten sie und ihre 14 weiteren rechten Kollegen durch Aktivitäten in einer rechtsextremen Chatgruppen. Volksverhetzende Inhalte und Nazi-Symbole gehörten zum gängingen Repertoire der Gruppenkommunikation. Dass die menschenfeindlichen Staatsdiener aus dem Spezialeinsatzkommando (SEK) des Frankfurter Präsidiums lediglich aufgefallen waren, da einer der Polizisten unter Kinderporno-Verdacht stand, überrascht kaum.
Die vergangenen drei Jahre sind geprägt von rein zufälliger Aufspürung und Kenntniserlangung über (hessische) extrem Rechte Bullenchatgruppen, die beiläufig durch andere Verdachtsfälle oder nach rassistischen Ermittlungen in die falsche Richtung ins Licht rückten.
Die Frankfurter Anwältin Seda Başay-Yıldız erhielt 2018 mehre anonyme Faxschreiben mit rassistischen Anfeindungen, u.a. mit der Drohung „ihre zweijährige Tochter abzuschlachten“. Wohnort der Anwältin und Name der Tochter sowie weiterer Angehöriger waren den verfassenden bekannt. Bereits nach dem ersten Schreiben gab sie den Hinweis an die Polizei, es könne sich um eine rassistisch motivierte Tat von Nazis handeln. Dabei stieß Seda Başay-Yıldız zunächst auf Abwehrreaktionen bei den Exekutivorganen. LKA Ermittlungen führten schließlich später zur Aufdeckung eines extrem rechten Terror-Netzwerkes innerhalb der hessischen Polizei. Gegen zahlreiche Beamt:innen, auch vom Frankfurter 1. Revier an der Konstablerwache in Frankfurt, liefen deswegen Verfahren. Im Frühjahr 2021 wurde ein mutmaßlicher Berliner Verfasser Alexander M. der Briefe unter dem Pseudonym NSU 2.0 verhaftet. Statt der Spur weiter nachzugehen, gab sich Peter Beuth erleichtert und sah die hessischen Verdachtsfälle entkräftet. Auch Hilfegesuche nach rechten Drohschreiben wurden Angaben von Betroffenen zufolge seit 2018 ignoriert oder nicht genug nachgegangen. Wie auch, wenn die Polizei gegen die Polizei ermitteln sollte.

Am Landgericht Schwerin war ab November 2019 Marco G. angeklagt, ein langjähriger LKA-Beamter. vorgeworfen wird ihm, Anfang 2016 die Telegram-Chatgruppen „NORD KREUZ“ gegründet zu haben, in der sich über 60 Mitglieder, darunter viele aus Polizei und Bundeswehr, zusammenfanden. Vision dieser Gruppen war die gesellschaftliche Krise Deutschlands durch Krieg, Naturkatastrophen und wirtschaftlichen Niedergang. Dem vorbeugend bereiteten sie den sogenannten “Tag X” vor. Gewehre, Pistolen, Messer, Blendgranaten, Schlagstöcke und über 50.000 Schuss Munition wurden bei Hausdurchsuchungen sichergestellt. Etliche tausend Menschen – Politiker:innen, Journalist:innen, Künstler:innen, Aktivist:innenen standen auf Feindeslisten. Die Beschaffung von Leichensäcken war auch bereits geplant. Marco G.s Urteil: ein Jahr und neun Monate Haft. Eine Bewährungsstrafe.

Anfang 2020 wurden Wohnungen u.a. dreier Frankfurter Polizisten durchsucht. Der Vorwurf lag in der Verwendung von Symbolen verfassungswidriger Organisationen. Ob diese auch mitchatten durften, ist auktuellen Ermittlungen zufolge bislang ungeklärt.
Sowohl in der Vergangenheit wie auch im jüngsten Fall am Beispiel des Frankfurter Polizeipräsident Gerhard Bereswill wie auch der Landesinnenminister Peter Beut wird bagatellisiert. Während Beuth lediglich plant wo es rechtlich möglich sei, die Beschuldigten aus der hessischen Polizei zu entlassen zieht Mr. Cop President einen regelrechten Motivationsschub aus der extrem rechten Manier seiner Mitarbeiter:innen. Er schwadroniert vom einheitlichem Verhaltenskodex und somit verbesserungswürdigem Corpsgeist. Der Ehrgeiz sich der Fehlerkultur in den Weg zu stellen erhöhe sich. Alle Mitarbeiter:innen müssten sich an Regeln halten, dass gelte es nun zu bewältigen.

Wenn die polizeilichen Spezialeinheiten sich mal wieder einen Streich erlauben, dann gehts an die Fehlerbereinigung. Was wir vorfinden ist nicht nur ein Ausschlagen von flächendeckenden Ermittlungen in allen deutschen Sicherheitsbehörden. Rassismus, Antisemitismus und jegliches neonazistisches Gedankengut werden verschwiegen und oder verharmlost. Als Platzhalter hierfür dient eine flotte Unternehmensberatung für das SEK.

Frankfurt ist auch der Ort, an dem derzeit der beurlaubte Bundeswehr Soldat Franco A. aus Offenbach vor Gericht wegen Vorbereitung eines terroristischen Anschlags steht. Um in einem möglichen 3. Weltkrieg, den er in der Migration verursacht glaubt Widerstand leisten zu können, bewaffnete er sich. Trotz dessen, dass seine Pläne des rechten Umsturzes seit über drei Jahren bekannt sind, ist er auf freiem Fuß.

Zu betonen, dass es sich weder um einen Einzelfall noch um ein neues Phänomen handelt, wird so furchtbar es ist, zur Regel. Vorallem wenn sich Ermittlungen gegen die Polizei richten (sollten), kommt es selten zu umfassender Aufklärung oder gar Verurteilungen. Das wurde neben dem Fall der Anwältin, auch bei den Ermittlungen gegen Familien von NSU-Opfern mit dem Vorwurf der organisierten Kriminalität, sichtbar.

Wirft man einen Blick auf die deutsche Geschichte zeichnet sich ein ununterbrochener Zusammenhang feststellen. NationalsozialistInnen wurden nach 1945 wichtige Funktionäre im Staatsapparat, ohne je für ihre grauenhaften Machenschaften während der Shoa belangt zu werden. Nazis sind beständiger Teil von Parlamenten, Justiz, (Polizei-)behörden und Verfassungsschutz. Entgegen dem Postulat einer „Entnazifizierung“ wurde nahezu jegliche Aufklärungsarbeit verdeckt. Die Motivation ist autoritär und antikommunistisch.

Verbindungen zwischen Geheimdiensten und Neonaziorganisationen sind offenkundig. Jegliche NPD-Verbotsversuche scheiterten aufgrund einer von V-Männern durchsetzten und aufgebauten Partei. Versuche, aus den Fehlern der Vergangenheit explizit im Fall NSU zu lernen und den Polizeiapparat strukturell zu verändern, scheiterten. Sie führten ausschließlich zu deutlich mehr Befugnissen für die Polizei und Geheimdienste.

Der Prozess und das Urteil gegen den selbsternannten NSU zeigten auf, dass es keine wahrhaft demokratische Aufklärung und Aufarbeitung rechten Terrors in Deutschland gibt. Beispielhaft hierfür steht das Narrativ der Trio-These. Dieses weicht von jeglicher antifaschistischer, journalistischer und wissenschaftlicher Recherche ab und ist falsch. Hierzu zählt nicht nur die Unfähigkeit rechte Strukturen zu benennen, sondern in dem beispielsweise Frauen ihre Kriminalität und Radikalität wie im Fall Zschäpes abgesprochen wird.

Schluss mit dem Konsequenten Wegducken!
Wir fordern die Auflösung des Verfassungsschutzes und konsequente Bekämpfung extrem rechter Terrorzellen!

Anstatt rechten Terror als aus der Mehrheitsgesellschaft entsprungen zu sehen, wird Faschismus zum sensationellen Einzefall deklariert. #KeinSchlussstrich bedeutet sich stetig mit der (deutschen) Geschichte auseinanderzusetzen. Die antifaschistische Organisierung bleibt unabdingbar. Gerade deswegen ist ein Bewusstwerden über verinnerlichten Rassismus, Antisemitismus und Sexismus notwendig.
Seid aufmerksam, greift auf bereits vorhandene Recherchen zurück und betreibt Aufklärung über Nazistrukturen. Rechte Terrorzellen entstehen nicht über Nacht. Es gilt Nazis einzuschüchtern und sie wissen zu lassen, dass sie ihre faschistische Ideologie nicht ungestört ausüben können. Einschätzungen und Analysen zu rechtem Terror und der extremen Rechten in Hessen findet ihr u.a. bei NSU Watch. Beteiligt euch an der antifaschistischen Kampagne zu rechtem Terror anlässlich des Prozesses gegen den Bundeswehrsoldaten Franco Albrecht.
Gegen den Einzeltätermythos!