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Vier Jahre später – über die juristische Auseinandersetzung um Franco Albrecht

ein Text vom Arbeitskreis kritischer Jurist_innen Frankfurt am Main (AkJ)

Über vier Jahre dauerte es, bis der Prozess gegen Franco A. vor dem Oberlandesgericht begann. Die bis zum Prozessbeginn geführte juristische Auseinandersetzung macht dabei keine Hoffnung auf eine vollständige Aufarbeitung.

Am 3. Februar 2017 wurde Franco A. zum ersten Mal festgenommen, als er eine Pistole nach Deutschland schmuggeln wollte. Im Zuge der Ermittlungen kamen die Behörden zu dem Schluss, dass Franco A. sich als syrischer Kriegsflüchtling ausgegeben hatte, um unter fremdem Namen und mit gestohlener Munition aus Bundeswehrbeständen Anschläge auf seine politischen Feinde zu verüben. Es fanden sich “Feindeslisten” in seiner Wohnung, außerdem wurde ein ganzes Netzwerk von rechtsextremen Bundeswehrsoldaten aufgedeckt, mit denen Franco A. in Kontakt stand. In der Folge wurde ein Haftbefehl erlassen, Franco A. kam in Untersuchungshaft. Vorgeworfen wird ihm insbesondere, eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet zu haben (§ 89a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 StGB). Darüber hinaus werden ihm Verstöße gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz, das Waffengesetz sowie das Sprengstoffgesetz, Diebstahl und Betrug vorgeworfen.1

Aufgrund der Schwere der Vorwürfe und der eigentlich nicht zu verkennenden rechtsextremen Motivation A’s überraschte es sehr, dass dieser bereits sechs Monate nach seiner Festnahme wieder aus der Untersuchungshaft entlassen wurde. Denn anders als von öffentlicher Seite aufgrund der immensen Menge an Indizien angenommen, sah der Bundesgerichtshof (BGH) zu diesem Zeitpunkt keinen dringenden Tatverdacht für die Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Straftat. Dadurch sei auch eine mehrjährige Haftstrafe nicht mehr hinreichend wahrscheinlich und es somit auch unwahrscheinlich, dass sich Franco A. durch Flucht dem Prozess entziehen würde. Damit zeichnet der BGH gleichzeitig einen Weg für ein mögliches Endurteil vor, so wie es beispielsweise auch bei Markus H. im Lübcke-Prozess gewesen ist. Franco A. kam also wieder auf freien Fuß, zu den Gerichtsterminen fährt er mit seinem Roller von Offenbach nach Frankfurt.

Diese Entscheidung des BGH zeigt wieder einmal, dass auf den Staat kein Verlass ist, wenn es um die (juristische) Aufarbeitung rechter Gewalt geht. Sei es der NSU-Komplex, der Mord an Walter Lübcke sowie der Angriff auf Ahmed I. oder die Ermittlungsarbeit rund um die rassistischen Morde in Hanau.

Dass der Staat hier nicht durchgreift, liegt jedoch nicht daran, dass es ihm hier an Möglichkeiten fehlt. So wird bei dem Tatbestand der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat die Strafbarkeit vor das eigentliche Geschehen vorverlagert. Strafbar macht man sich also nicht wie in anderen Fällen erst, wenn man unmittelbar zur Tat ansetzt, sondern bereits bei der Planung. Auch mehr als 6 Monate Untersuchungshaft sind ein immenser Freiheitseingriff. Es scheint jedoch so, als werden diese Bedenken erst relevant, wenn es darum geht, ob ein bewaffneter rechtsextremer Bundeswehrsoldat auf freiem Fuß bleiben kann. Wenn die von Polizei und Justiz zur “Terroristin” hochstilisierte Lina E. mehr als sechs Monate in Untersuchungshaft sitzt, scheint es solche Bedenken nicht zu geben. Bei Franco A. reichen dem BGH aber ganz offensichtlich weder die gefundenen Waffen noch die rechtsextreme Haltung und die gefundene “Feindesliste”, um durchzugreifen. Denn die Liste könnte auch nur “eine Art „Ranking“ der Personen nach den möglichen Kriterien Bekanntheitsgrad, Stellung innerhalb der linken Szene oder Ähnliches” sein, wodurch nicht klar sei, “ob es sich dabei um eine Liste mit potenziellen Anschlagszielen handele.”2 Damit verkennt der BGH zum einen die Lebenswirklichkeit von betroffenen Personen, deren Namen auf solchen Listen auftauchen und zum anderen die tatsächliche Gefahr, die von Personen wie A. und deren Netzwerken ausgehen.

Diese Entscheidung blieb auch juristisch nicht folgenlos. Im Dezember 2017 erhob die Generalbundesanwaltschaft, zu Recht immer noch überzeugt von den Anschlagsplänen Franco A’s, Anklage vor dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts (OLG) in Frankfurt. Das Gericht ließ sich ein halbes Jahr Zeit, um im Juni 2018 zu verkünden, dass es sich nicht für zuständig halte. Es fehle an einem hinreichenden Tatverdacht für die Vorbereitung einer staatsgefährdenden Straftat, weshalb stattdessen das Landgericht Darmstadt zuständig sei. Obwohl das OLG zugibt, dass einiges darauf hindeutet, dass Franco A. die „Tat schon hinsichtlich Tatort, Tatmittel und Tatopfer konkretisiert“ habe und auf Grundlage seiner völkischen und antisemitischen Einstellung eine „politisch wirksame Handlung vornehmen [wollte], um die Verhältnisse in Deutschland nach seinen Vorstellungen zu beeinflussen“3, schließt das OLG aus der Tatsache, dass Franco A. diesen Anschlag noch nicht begangen hat, dass er zur Begehung der Tat „noch nicht fest entschlossen war.“4 Weil er den Anschlag also noch nicht begangen habe, könne nicht davon ausgegangen werden, dass er es vorhatte. Eine an Absurdität kaum zu überbietende Entscheidung. Während überall in Deutschland linke Aktivist*innen unter dem Vorwurf der Bildung einer kriminellen oder terroristischen Vereinigung (§ 129 bzw. § 129a StGB) verfolgt und teilweise ohne Prozess jahrelang weggesperrt werden, werden bei Franco A. offenbar beide Augen zugedrückt. Gerade bei einem rechtsextremen Bundeswehrsoldaten, also einem Mitglied der Institution, die seit Jahren Schlagzeilen durch auffällig werdende Rechtsextreme in den eigenen Reihen macht, erinnert sich das OLG auf einmal an liberale rechtsstaatliche Grundsätze, die bei Prozessen gegen Linke seit Jahrzehnten in ihr Gegenteil verkehrt werden. Auf einmal reichen eine falsche Identität, gestohlene Waffen, rechtextreme Einstellung und Todeslisten nicht einmal aus, um eine Anklage zuzulassen.

Daraufhin folgte ein Zuständigkeitsstreit, welcher den Prozessbeginn weiter verzögerte. Die Bundesanwaltschaft hielt den Staatsschutzsenat weiterhin für zuständig und legte eine Beschwerde beim Bundesgerichtshof ein. Dieser brauchte dann noch einmal eineinhalb Jahre (!), um über diese Beschwerde zu entscheiden. Anders als bei der Aufhebung des Haftbefehls kommt der BGH aber diesmal zu einem nachvollziehbaren Entschluss: Aufgrund der politischen Dimension, die Franco A. seiner Tat wahrscheinlich geben wollte, seien „eine Vielzahl von Gründen denkbar […] die Tat, zu der er fest entschlossen war, noch nicht zu begehen.“5 Dadurch liege ein hinreichender Tatverdacht bezüglich der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat vor, wofür das Oberlandesgericht zuständig sei. Es stellt sich nur noch die Frage, warum der BGH über ein Jahr gebraucht hat, um diesen banalen Schluss zuzulassen.

Im Mai 2021 begann nun der Prozess vor dem Oberlandesgericht – dem Gericht, welches die Anklage zunächst gar nicht zulassen wollte. Ob das Gericht seine Meinung inzwischen geändert hat und eine Verurteilung Franco A’s nun in Betracht zieht, wird sich zeigen. Der bisherige Verlauf verheißt jedoch nichts Gutes.

Franco A. hat die verstrichene Zeit gut genutzt. In den verschiedensten Medien stellt er sich als rechtschaffener Bürger dar, welcher nur angebliche Unstimmigkeiten in deutschen Asylverfahren habe aufdecken wollen. Völlig realitätsfern, aber durchaus medienwirksam konstruiert er hier eine Geschichte, nach der gegen ihn nun ein politisch motivierter Schauprozess laufe. Dies erinnert an die antisemitischen Verschwörungserzählungen, welche er auch in seiner 2013 verfassten Masterarbeit vertritt. Hierbei bekommt er von rechten Medien Rückenwind, „Russia Today“ z.B. attestierte ihm in einem Interview sogar „altruistische Motive.“6

Die deutsche Justiz muss sich dagegen bereits vor dem Ende des Prozesses den Vorwurf machen lassen, bei der juristischen Aufarbeitung versagt zu haben. Die bisherige juristische Auseinandersetzung macht nicht den Eindruck, aus dem NSU- und Lübcke-Prozess etwas gelernt zu haben. Stattdessen entsteht wieder der Eindruck, dass die Justiz rechtsmotivierte Straftaten nicht ernst nimmt. Die Tatsache, dass der Prozess ohne ersichtlichen Grund über vier Jahre hinausgezögert wurde, ist inakzeptabel. Insbesondere für die Betroffenen von rechter Gewalt ist eine solche Verzögerung eine Zumutung. Gerade gegenüber diesen Personen ist der Staat verpflichtet, eine effektive Strafverfolgung sicherzustellen. Stattdessen haben Versäumnisse im Ermittlungsverfahren und offensichtliche Missstände in der Justiz nun dazu geführt, dass Franco A. seit Jahren frei herumläuft und die breite Öffentlichkeit längst das Interesse an seinem Prozess verloren hat. Wieder einmal scheint es, als sei auf eine konsequente Aufdeckung der Strukturen innerhalb der Bundeswehr (!), in denen sich Franco A. trotz seiner rechtsradikalen Einstellung bewegen und sogar Waffen unterschlagen konnte, nicht zu hoffen.

Für den weiteren Verlauf des Prozesses verheißen die Umstände folglich nichts Gutes. Dadurch ist es umso wichtiger, dem Staat bei seinem Umgang mit rechter Gewalt kritisch zu beobachten und zu hinterfragen.

Aufklärung bleibt Handarbeit!

1 https://www.generalbundesanwalt.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2017/Pressemitteilung-vom-12-12-2017.html?nn=478286. Stand aller Links: 14.06.2021.

2 BGH AK 58/17 – Beschluss vom 29. November 2017.

3 https://ordentliche-gerichtsbarkeit.hessen.de/pressemitteilungen/strafverfahren-gegen-franco-wird-vor-dem-landgericht-darmstadt-er%C3%B6ffnet.

4 https://ordentliche-gerichtsbarkeit.hessen.de/pressemitteilungen/strafverfahren-gegen-franco-wird-vor-dem-landgericht-darmstadt-er%C3%B6ffnet.

5 BGH, Beschluss vom 22.08.2019 – StB 17/18.

6 https://www.youtube.com/watch?v=pbMZu6ux4ew.