Der Komplex Franco A. Teil 1 – Rechter Soldat unter Terrorverdacht

Am 20. Mai 2021 beginnt vor dem Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt der Prozess gegen den extrem rechten Bundeswehrsoldaten Franco A. unter anderem wegen der Vorbereitung eines terroristischen Anschlags. Damit beginnt die Verhandlung erst vier Jahre, nachdem Franco A. im April 2017 festgenommen und wenige Monate später aus der Untersuchungshaft entlassen wurde. Im Folgenden geben wir einen Überblick über den „Komplex Franco A.“ und den anstehenden Prozess.

Von NSU-Watch Hessen

Extrem rechte Netzwerke in sogenannten „Sicherheitsbehörden“ sind nichts Neues, es gab sie seit Gründung der BRD immer wieder – sowohl in Polizei, Geheimdiensten als auch in der Bundeswehr. Doch seit einigen Jahren hat das Thema eine neue Aktualität gewonnen: Kaum eine Woche vergeht, in der keine rassistische und antisemitische Chatgruppe von bewaffneten Staatsbediensteten auffliegt. Kaum eine Woche ohne Meldungen über neue rassistische und frauenfeindliche Drohschreiben mit geheimen Daten aus Polizeicomputern. Und selten vergeht eine Woche, ohne dass nicht neue Diebstähle von Munition, Waffen und Sprengstoff bei Bundeswehr und Polizei bekannt werden, die dann in Kellern und geheimen Waffendepots extrem rechter Staatsbediensteter lagern..
Dass diese Fälle in einer breiteren Öffentlichkeit diskutiert werden, begann mit dem Fall Franco A., der im Frühjahr 2017 öffentlich bekannt wurde und das Augenmerk wieder vermehrt auf extrem Rechte in staatlichen Institutionen lenkte.

Eine Wehrmachtspistole auf dem Wiener Flughafen

Die Verhaftung des Oberleutnants Franco A. im Mai 2017 folgte auf einen Zufallsfund. Am 20. Januar 2017 besucht A. zusammen mit Bundeswehrsoldaten aus Deutschland und Österreich sowie ihren Partnerinnen den „Ball der Offiziere“ in Wien. Als er zwei Tage später von Wien zurück flog, versteckt er auf einer Behindertentoilette des Flughafens eine unregistrierte und geladene Wehrmachtspistole aus Frankreich, die er mit sich führte. Bilder von dem Versteck soll er an eine gemeinsame Whats-App-Gruppe mit den Freund*innen vom Ballbesuch geschickt haben. Anfang Februar flog A. zurück nach Wien und wollte die Pistole aus dem Versteck holen. Diese wurde inzwischen jedoch von einer Reinigungskraft entdeckt, A. löste einen stillen Alarm aus und die Wiener Polizei nahm ihn kurzzeitig fest.

Antisemitismus und Hass auf Migrant*innen

Franco Hans A. wurde 1989 in Offenbach geboren. Er besuchte eine ortsansässige Gesamtschule und machte 2008 sein Abitur an einem Oberstufengymnasium im benachbarten Frankfurt am Main. Sein Wunsch zur Bundeswehr zu gehen, sei damals bereits sehr ausgeprägt gewesen, so ein ehemaliger Lehrer. Bereits in der siebten Klasse schrieb er mit Mitschüler*innen einen Text, in dem er sich selbst mit den Worten „Der Soldat in ihm erwachte“ beschrieb. Franco A. soll laut Eigenaussage in einem Bericht der Zeit als Schüler Kontakte zur Neonazipartei Deutsche Volksunion (DVU) gesucht haben, fiel an seiner Schule mit rechten Inhalten bis zum Abitur aber nicht auf.

Dies ist erstmals belegbar, einige Jahre nachdem er 2008 der Bundeswehr beitrat: Nach seinem Grundwehrdienst und einigen Monaten als Zeitsoldat in Deutschland wechselte A. zur deutschen Stabsgruppe in Frankreich und begann im September 2009 ein Studium an der französischen Elite-Militärakademie Saint-Cry. Im Dezember 2013 reichte er dort eine Abschlussarbeit zur Erlangung des Masterabschlusses mit dem Titel „Politischer Wandel und Subversionsstrategien“ ein. Bei der Abschlussarbeit handelte es sich nicht um eine wissenschaftliche Arbeit im eigentlichen Sinn, sondern mehr um ein 150-Seitiges rassistisches und antisemitisches Pamphlet. Kaum eine damals kursierende Verschwörungsideologie wird hierin ausgelassen: Von einem „Austausch der Bevölkerung“ durch Migration (u.a. in seiner Heimatstadt Offenbach) wird geschrieben,von einer Manipulation der Medien zum Profit Israels, genauso wie von einer allmächtigen und allgegenwärtigen Kraft der „Subversion“ – eine Chiffre, hinter der sich nur leicht kaschiert antisemitische Verschwörungsideologien von allmächtigen Jüdinnen*Juden verbergen, welche die Welt regieren würden.

Doch Konsequenzen musste Franco A. nicht befürchten: Obwohl ein Gutachter der Bundeswehr zu dem Schluss kam, dass es sich hierbei nicht um eine akademische Qualifikationsarbeit sondern um einen „radikalnationalistischen, rassistischen Apell“ handele, erwarteten A. keine negativen Folgen. In einer Vernehmung behauptete er, in der Masterarbeit nicht seine eigene Meinung vertreten zu haben, sondern lediglich in eine Rolle geschlüpft zu sein. Damit nutzte er eine in Teilen der extremen Rechten seit langem beliebte Rechtfertigungsstrategie: Bereits der Jurist Carl Schmitt, der im Rahmen der Nürnberger Prozesse zu seiner ideologischen Vorarbeit des deutschen Angriffskrieges in Osteuropa befragt wurde, redete sich damit raus, ein „intellektueller Abenteurer“ zu sein, der frei in alle Richtungen denke. Die Bundeswehr nahm diese Rechtfertigung dankend an: Anstatt seine rassistischen und antisemitischen Aussagen ernst zu nehmen, bezeichnete ein Vorgesetzter A. als „Opfer seiner eigenen intellektuellen Fähigkeiten“ und ließ ihn mit einer neuen Arbeit die Elite-Akademie abschließen.

Ein geplantes Attentat “unter falscher Flagge”?

Direkt nach seiner Verhaftung am Wiener Flughafen wurde A. wieder freigelassen. Den Behörden fiel jedoch auf, dass seine Fingerabdrücke bereits im System vermerkt waren – unter dem Namen des Geflüchteten David Benjamin.

Ende Dezember 2015 ließ sich der deutsche Bundeswehrsoldat Franco A. aus Offenbach als französisch sprechender Geflüchteter aus Syrien registrieren und führte zeitweise ein Doppelleben in seiner Bundeswehrkaserne nahe Straßburg und einer Geflüchtetenunterkunft in Bayern. Die Generalbundesanwaltschaft (GBA) ist überzeugt, dass er dies tat, um einen Terroranschlag ‚unter falscher Flagge‘ zu begehen. Ein Terroranschlag eines Geflüchteten sollte die rassistische Stimmung gegen Geflüchtete in Deutschland weiter anheizen. Ein Plan, der zu den völkischen und verschwörungsideologischen Ansichten Albrechts passen würde.

Im April 2017 wurde Franco A. bei einem „Einzelkämpferlehrgang“ der Bundeswehr verhaftet, kurz darauf auch die zwei damals unter Mitverdacht stehenden Mathias F. und Maximilian T. Insgesamt wurden 16 Objekte in Deutschland, Österreich und Frankreich durchsucht. Bei Franco A.‘s Jugendfreund Mathias F. fanden die Behörden über 1000 Schuss Munition und über 50 Sprengzünder von Handgranaten, die A. teilweise bei der Bundeswehr gestohlen haben soll. Die GBA ist zudem überzeugt, dass A. zwei weitere Waffen neben der Wehrmachtspistole und einem aufgefundenen Gewehr besaß, unter anderem ein Sturmgewehr G3, für das er 2016 Zusatzteile erworben und mit dem er Schießübungen absolviert haben soll. Ebenso werden eine Ausgabe von Hitlers „Mein Kampf“, andere NS-Literatur und Rechtsrock-CDs gefunden. Anleitungen zum Bombenbau und Guerillakampf wurden bereits in Wien auf einem USB-Stick bei ihm sichergestellt.

Bei A.s Bundeswehrkamerad Maximilian T. fand sich eine Liste auf zwei Din-A4 Seiten mit Namen von ranghohen Politiker*innen und linken Aktivist*innen, kategorisiert in den Gruppen A bis D. Darunter Politiker*innen wie Joachim Gauck und Anne Helm, sowie Gruppen wie die Rote Hilfe und das Zentrum für politische Schönheit. Auf anderen bei A. gefunden Notizen stehen die Namen und persönliche Informationen von Heiko Maaß und der Vorsitzenden der Amadeu-Antonio-Stiftung Annetta Kahane, die seit Jahren von Rechten bedroht wird. Letztere kundschaftete A. auch persönlich aus: Die Behörden fanden bei ihm Fotos und einen Lageplan der Tiefgarage der Amadeu-Antonio-Stiftung, zu der er sich am 22.07.2016 Zugang verschafft habe. In weiteren gefundenen Notizen und Audioaufzeichnungen macht er seine extrem rechte Einstellung deutlich: „Hitler steht über allem“ heißt es darin. Außerdem äußerte er hierin erneut antisemitische Verschwörungsideologien.

Die GBA klagt Franco A. wegen einer Reihe an Verstößen an. Neben den Delikten wegen den teils gestohlenen Waffen und Kriegswaffen und der fälschlichen Ausgabe als Geflüchteter zudem wegen der Vorbereitung eines terroristischen Anschlags. Die GBA ist überzeugt, dass er sich Waffen und die Tarnidentität als Geflüchteter beschaffte, um als solcher getarnt einen ‚false flag‘-Anschlag auf eine der politisch anders denkenden Personen zu verüben, die in den Notizen bei ihm und Maximilian T. gefunden wurden. Das Auskundschaften des Büros der Amadeu-Antonio-Stiftung sowie Notizen über eine Route um mit einer Schrotflinte durch Land zu reisen, sprächen ebenfalls hierfür.

Offensive Medienstrategie

Seit seiner Entlassung aus der Untersuchungshaft im November 2017 tauchte Franco A. jedoch nicht ab, sondern besuchte Veranstaltungen und griff aktiv in die Berichterstattung über ihn ein.

Zum Jahreswechsel 2018/2019 soll Franco A. Treffen der Partei DIE LINKE und eines Gesprächskreises der verschwörungsideologischen Website „Nachdenkseiten“ in Berlin besucht haben. Im September besuchte er den Tag der offenen Tür im Bundestag und wurde dabei von seinem zeitweise als Komplize verdächtigem Bundeswehrkameraden und Bruder seiner Lebensgefährtin, Maximilian T., erkannt. Wenige Tage später besuchte er als Zuschauer den Prozess gegen seinen Freund und Helfer Mathias F. in Gießen. Als dessen Anwalt auf ihn aufmerksam machte, verließ er den Saal; Anfang 2020 besuchte er den Neujahrsempfang der Partei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in seinem Wohnort Offenbach, wo ihn eine ehemalige Lehrerin erkannte.

Was A. mit diesen für einen Neonazi und Bewunderer Adolf Hitlers ungewöhnlichen Besuchen bezweckte, ist ungewiss. Vielleicht waren es Versuche, sich ein Bild von politischen Gegner*innen zu machen oder diese auszuspionieren, wie er es zuvor bereits getan hat. Vielleicht waren es Versuche, gemäß einem Querfront-Ansatz auszuloten, wie die Bedingungen für seine völkischen Ideen außerhalb des rechten Lagers stehen. Womöglich war es auch der Versuch, durch teils öffentlichkeitswirksame Besuche bei Gericht und politischen Gegner*innen das Bild des Neonazisoldaten aktiv zu brechen um seine Verteidigungsstrategie zu untermauern. Die Selbstinszenierung als jemand, der sich gerne in andere Rollen hinein versetzt, unterschiedliche Perspektiven annimmt und dabei auch mal ‚über das Ziel hinaus schießt‘, war bereits bei seiner Masterarbeit als Verteidigungsstrategie erfolgreich. In Medienberichten versuchen A. und sein Umfeld jedenfalls genau dieses Bild erneut von ihm zu präsentieren.

Im letzten Jahr erschienen mehrere Reportagen über Franco A., in denen er und sein Umfeld Medien gegenüber Auskunft gaben. In einer Homestory für die rechtskonservative NZZ versuchten er, seine Mutter und seine Lebensgefährtin ein Bild von ihm zu zeichnen, dass seine klandestinen Aktivitäten als eine Art investigativen Journalismus darstellt, anstatt als Vorbereitung eines Terroranschlags. Auch mit der New York Times und anderen Medien traf er sich für Gespräche. Welche seiner Aussagen hiervon veröffentlicht werden durften, entschied A. laut mehreren Medien strikt selbst. Die Zeit-Journalistin Christina Schmidt berichtete, wie Franco A. sie nach einem Termin auf der Straße abfing um mit ihr ein Gespräch zu suchen. Dem russischen Staatssender RT gab A. ein sehr wohlwollendes Videointerview ohne allzu kritische Fragen, das nur zwei Tage vor Prozessbeginn ausgestrahlt wurde. Offenbar versucht A. aktiv in die Berichterstattung über ihn einzugreifen und eine harmlose Version seiner Geschichte zu forcieren, die womöglich einen Ausblick auf seine Verteidigungsstrategie vor Gericht gibt.

Aggressivität und Nähe zu Corona-Leugner*innen

Doch wenn Journalist*innen und Kameras weg sind, zeigt sich durchaus ein anderes Bild als jene Inszenierung des harmlosen Freidenkers, der in seiner investigativen Arbeit etwas zu weit gegangen ist. Eine Person aus dem Rhein-Main-Gebiet berichtet von einem Zusammentreffen mit Franco A., das sie im Herbst 2020 in einer S-Bahn in Offenbach hatte. Laut ihrer Aussage habe Franco A. in der Bahn seinen Mund-Nasen-Schutz unwirksam getragen und sei deswegen von ihr aufgefordert worden, ihn richtig aufzusetzen. Franco A. habe daraufhin aggressiv und konfrontativ reagiert, habe unter anderem von „Merkel-Maulkorb“ gesprochen und ähnliches Vokabular aus dem „Querdenken“- und Corona-Leugner*innen Spektrum verwendet. Erst erst nach einigem aggressiven Verhalten habe er sich weiter weg gesetzt. Auf Bildern von Franco A. hat die Person ihn klar als jenen Mann aus der S-Bahn identifiziert. Ein direkt nach der Situation aufgenommenes Foto zeigt zudem den Mann in der S-Bahn, wie er Unterlagen eines im Sommersemester 2020 an der Universität Frankfurt aufgenommen Studiums der Rechtswissenschaften in der Hand hält – ausgestellt auf Name und Geburtsdatum von Franco A.

Aggressives Verhalten und eine ideologische Nähe zu den Corona-Leugner*innen von „Querdenken“ und Co mögen nicht besonders überraschen bei einer Person, die bereits sieben Jahre zuvor antisemitische Verschwörungsideologien als Masterarbeit abgab. Jedoch passt es nicht zu der in Homestorys und Interviews vertreten Darstellung als harmloser Freigeist und investigativer Aufdecker.

Lückenhafte Ermittlungen

Diesen Donnerstag den 20. Mai beginnt die Verhandlung gegen Franco A. vor dem OLG Frankfurt. Angesetzt sind vorerst 12 Verhandlungstage, der Ausgang des Prozesses ist ungewiss. Während einige der Anklagepunkte leicht nachzuweisen sein sollten, etwa der Verstoß gegen Waffen- und Kriegswaffenkontrollgesetze und der Betrugsfall, sich als Asylsuchender ausgegeben zu haben, wird sich die juristische Auseinandersetzung wohl hauptsächlich um den Nachweis der Vorbereitung eines terroristischen Anschlags drehen. Der Paragraph 89a im Strafgesetzbuch, die „Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat“, ist juristisch engen Grenzen gesetzt und nicht unumstritten.

Dass der Prozess erst vier Jahre nach der Verhaftung von Franco A. beginnt, hängt auch mit dem Verhalten von OLG und Ermittlungsbehörden zusammen: Das OLG wollte die Anklage gegen A. wegen des Vorwurfs der Vorbereitung der schweren staatsgefährenden Gewalttat zuerst gar nicht erst zulassen. Dabei argumentierte es, da A. alle Vorbereitungen für einen Anschlag getroffen hatte und es bisher noch nicht ausgeführt hätte, könne nicht sicher gesagt werden, ob er auch wirklich zuschlagen wollte. Die ausführlichen Anschlagsvorbereitungen wurden ihm so paradoxerweise zu seinen Gunsten ausgelegt. Es brauchte erst den Bundesgerichtshof, der die Entscheidung vom OLG einkassierte und deutlich machte, dass ausreichend Verdacht besteht, A. wegen der Vorbereitung eines Terroranschlags anzuklagen.

Sowohl das OLG Frankfurt als auch der BGH forderten von den zuständigen Behörden Nachermittlungen – weil sie überzeugt waren, dass der Fall zum Zeitpunkt der Anklage noch nicht restlos ermittelt war. Einige zentrale Indizien, wie etwa nähere Hinweise zu A.‘s extrem rechter Ideologie wurden erst hierdurch bekannt. Auch dass er die Pistole vom Wiener Flughafen bereits ein Jahr zuvor in Paris gekauft haben soll, wurde erst nach Abschluss der Nachermittlungen öffentlich gemacht. Wichtige Indizien für die Anklage wurden somit erst auf äußeren Druck der Gerichte ermittelt, weil zuständige Behörden (zuvor) nicht vollumfänglich allen Spuren nachgegangen sind. Eine erschreckende Parallele zu bisherigen Fällen von rechtem Terror.

NSU-Watch Hessen begleitet den Gerichtsprozess gegen Franco A. und veröffentlicht auf der Website hessen.nsu-watch.info Berichte zu allen Prozesstagen. Twitter: @nsuwatch_hessen und @nsuwatch